Das kleinste Hotel der Welt kommt aus Düsseldorf
von Dr. Oliver Braun
Mit der Startup-Woche hat sich Düsseldorf als interessanter Standort für junge und innovative Gründer etabliert. Bundesweit bekannt sind die Düsseldorfer Unternehmen Trivago, Tonie-Box, auxmoney und sipgate. Nun steht mit roatel ein weiteres Start-up in den Startlöchern, das von Düsseldorf aus bundesweit ausgerollt wird.
Herr Kals, Sie haben als sog. Serial-Entrepreneur bereits mehrere Unternehmen hier in Düsseldorf gegründet. Vielen dürfte beispielsweise FIRST MAIL mit seinen blauen Briefboten bekannt sein. Düsseldorf scheint ein guter Platz für Unternehmensgründungen zu sein.
Ich bin gebürtiger Düsseldorfer und liebe die Stadt. First Mail wurde damals von den Düsseldorfern sehr gut angenommen, und wir konnten schnell Kunden wie Stadtverwaltung, Stadtsparkasse, Bezirksregierung und die Gerichte gewinnen. So etwas ist für ein junges Unternehmen sehr wichtig. Mein nächstes Start-up war freesort, ein bundesweit tätiges Briefkonsolidierungsunternehmen mit Hauptsitz in Düsseldorf. Dort haben wir viele schwerbehinderte Mitarbeiter eingestellt und wurden von den Integrationsfachdiensten und dem Landschaftsverband sehr unterstützt.
Freesort haben Sie im Zuge eines Börsengangs an die Francotyp Postalia verkauft. Seitdem investieren Sie selbst in Start-ups. Warum nun wieder der Wechsel auf die Gründerseite?
Wir haben in den letzten Jahren hunderte interessante, aber auch aberwitzige Geschäftsideen geprüft und investieren in vielversprechende Projekte. Bei vielen Pitches dachte ich mir, dass ich das besser machen könnte als die Gründer. Irgendwann packte mich der Ehrgeiz, dem auch Taten folgen zu lassen.
roatel ist ein Microhotel-Konzept für Kraftfahrer. Sie bauen einen Hochseecontainer mit je 4 Hotelzimmern aus. Hintergrund ist, dass LKW-Fahrer seit Herbst dieses Jahres ihre wöchentliche Ruhezeit nicht mehr in der Fahrerkabine verbringen dürfen. Wie kam die Geschäftsidee zustande?
Als Verkehrsfachwirt mit langjähriger Erfahrung kenne ich die Probleme der Logistikbranche sehr gut. Ich wurde auf die Thematik aufmerksam, nachdem der EuGH Ende 2017 die Übernachtungen im LKW verboten hatte und die EU daraufhin ein einheitliches Gesetz auf den Weg bringen wollte. In der Diskussion mit Marktteilnehmern stellten wir eine gewisse Ratlosigkeit fest, und mir dämmerte, dass hier ein immenses Problem entstehen könnte, für das es praktisch keine Lösung gibt. Bis zu 120.000 Kraftfahrer pro Tag benötigen nun eine Übernachtungsmöglichkeit außerhalb ihres LKW. Insofern gründete ich Anfang 2019 zusammen mit 2 Freunden die roatel GmbH.
Damals war aber noch gar nicht klar, dass die EU die Verordnung tatsächlich verabschieden würde. Immerhin waren vor allem die osteuropäischen Mitgliedsländer strikt dagegen.
Das war das Problem. 2019 stand noch alles in den Sternen. Trotzdem sind wir das Risiko eingegangen, haben das Konzept entwickelt, einen 6stelligen Betrag investiert, den ersten Prototyp geplant und in Auftrag gegeben. Inzwischen hat die Serienfertigung begonnen. Nun, nachdem die EU-Verordnung rechtskräftig ist, sind wir die einzigen mit einer praktikablen und wirtschaftlichen Lösung am Markt. Die Nachfrage ist entsprechend.
Was unterscheidet ein roatel von einem Wohncontainer, wie sie oft als Notunterkünfte eingesetzt werden?
Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Unsere Boxen sind 45 Fuß große Hochsee-Stahlcontainer, die in der Ausführung „high-cube palled-wide“ extra hohe Decken mit 2,70m Innenmaß haben und extra breit sind.
Für jeden Standort benötigen wir eine Baugenehmigung. Unsere roatels erfüllen alle behördlichen Auflagen wie Brand- und Lärmschutz sowie die Energie-Einsparverordnung. Jedes roatel verfügt über 4 hochwertig ausgestattete Gästezimmer mit Dusche und WC. Durch das große dreifach verglaste Fenster, das als zweiter Rettungsweg dient, fällt viel Licht hinein. Alle Zimmer sind klimatisiert und haben kostenloses Sat-TV und WiFi. Die Türen sind einbruchsicher, die Fenster können mit elektrischen Rollläden verschlossen werden und Kameras überwachen den Außenbereich.
Es gibt nichts Vergleichbares auf dem Markt.
Wer sind Ihre Zielkunden?
Unsere Kunden sind überwiegend Kraftfahrer, die das Autobahnsystem eigentlich nicht verlassen möchten. Denn sie können nicht einfach in einen Ort fahren und ihren LKW vor einer Pension parken. Deswegen werden die roatels auf Rastanlagen oder in direkter Autobahnnähe z.B. auf Autohöfen oder Tankstellen aufgestellt.
Für Handwerk bietet unsere Lösung ebenfalls eine sehr geeignete Übernachtungsmöglichkeit. Aber auch Reisende, die geschäftlich oder privat unterwegs sind, möchten wir ansprechen.
Was ist das Smarte an dem Konzept?
Vorteil für den Gast: Mit unserer Applikation finden Kraftfahrer nur solche Übernachtungsmöglichkeiten, die für sie auch geeignet sind und LKW-Stellplätze haben. Die Buchung erfolgt über das Smartphone. Das gleiche gilt für Check-In und Check-out. Der Gast erhält einen digitalen Schlüssel, mit dem er dann die Türe öffnen kann. Personal gibt es nicht. In Corona-Zeiten ist unser Modell ideal.
Vorteil für unsere Standortpartner: Die Produktion der Einheiten erfolgt in einem optimierten Fertigungsprozess bei unserem Lieferanten. Dadurch benötigen wir für die Aufstellung vor Ort nur einen Tag. Je nach Nachfrage am Standort können wir auch mehrere roatels aufstellen oder das Zimmerangebot wieder reduzieren. Diese Flexibilität gibt unseren Standortpartnern und uns die größtmögliche Sicherheit und reduziert den Aufwand auf ein Minimum.
Wo lassen sie die roatels bauen?
Für die Produktion haben wir ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Niedersachsen gewinnen können, das auf hochwertige Möbel im Geschäfts- und Privatbereich und den Fahrzeug-Innenausbau spezialisiert ist. „Made in Germany“ ist uns sehr wichtig, weil wir sonst nicht unseren hohen Qualitätsstandard erreichen könnten.
Was sind die nächsten Schritte?
Derzeit stellen wir die ersten roatels auf und nehmen sie in Betrieb. Gleichzeitig machen wir für jeden Standort, für den wir eine Anfrage erhalten, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse. Unser Geschäftsmodell ist es, die roatels selbst zu bewirtschaften. Der Standortpartner erhält von uns eine Pacht.
Ziel ist es, im kommenden Jahr den bundesweiten Roll-out zu beschleunigen und innerhalb der kommenden 5 Jahr insgesamt 600 roatels mit 2.400 Betten zu betreiben.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie dafür viel Kapital benötigen? Haben Sie Fördermittel bekommen? Wie finanzieren Sie die Expansion?
Die NRW.Bank hat sich in der Anfangsphase mit einem Wandeldarlehen für Start-ups beteiligt. Ansonsten finanzieren wir uns mit Eigenkapital. Für den Roll-out benötigen wir nun Geld zur Vorfinanzierung der Hoteleinheiten. Unser Angebot: Wir bündeln mehrere Standorte zu Paketen, deren Finanzierung jeweils ein Investor übernimmt. Für viele ist das eine interessante Alternative zu den üblichen Anlagemöglichkeiten, da man bei uns „etwas anfassen“ kann und eine Investition nur dann durchgeführt wird, sobald alle Behörden grünes Licht gegeben haben.
Wollen Sie roatels auch im Ausland aufstellen?
Zunächst einmal konzentrieren wir uns den Heimatmarkt, denn der ist groß genug. Allerdings liegen bereits Anfragen aus Österreich, Polen und Frankreich vor. Auslandsmärkte werden wir nur zusammen mit Partnern aufrollen können. Es ist alles sehr, sehr spannend.
Ralf-Peter Kals
Geboren 1968 in Düsseldorf. Ausbildung zum Speditionskaufmann, danach abgeschlossenes Studium zum Verkehrsfachwirt. Langjährig in Führungspositionen international tätiger Logistikunternehmen. 2000 Gründung der FIRST MAIL, eines der ersten privaten Briefdienste Deutschlands. Nach dem Verkauf an die Deutsche Post Gründung des Briefkonsolidierers freesort. Nach dem Verkauf an die Francotyp Postalia Tätigkeit als Angel- und Immobilien-Investor im In- und Ausland. Lebensmittelpunkt war für viele Jahre das Ausland, u.a. Belgien, Dubai und Mallorca. Seit 2015 geschäftsführender Partner der Investment-Boutique seedVC in Düsseldorf. Seit 2019 Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der roatel GmbH.
Quelle: DJournal, ISSN 2196-57734, Jahrgang 41, 2021, Ausgabe 3, S. 80ff.